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Lebenslange Haft nach tödlichem Kraftfahrzeugrennen

BGH bestätigt:

Lebenslange Haft nach tödlichem Kraftfahrzeugrennen – ein Urteil mit Präzedenzcharakter
Ein tragischer Fall aus Hannover hat seinen rechtskräftigen Abschluss gefunden: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil des Landgerichts (LG) Hannover im zweiten Rechtsgang bestätigt, das die Angeklagte P. wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord und weiteren Delikten zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Ihr Mitangeklagter S. erhielt erneut vier Jahre Haft. Dieser Beschluss des BGH vom 4. Strafsenat unterstreicht die harte Linie der Justiz bei illegalen Autorennen mit tödlichem Ausgang. Als Strafverteidiger werfen wir einen Blick auf die Hintergründe und die Bedeutung dieses Falles.

Der Hergang: Ein spontanes Rennen mit tödlichen Folgen

Die beiden Angeklagten, P. und S., begegneten sich zufällig auf dem Heimweg von ihren Arbeitsstellen. Beide fuhren hochmotorisierte Fahrzeuge und überholten nach einem Kreisverkehr mit überhöhter Geschwindigkeit ein anderes Auto. Was folgte, war eine konkludente Rennabrede: Die Angeklagte P. beschleunigte auf der linken Spur, entschlossen, S. zu überholen und die Leistungsfähigkeit ihres Wagens zu demonstrieren. S. nahm die Herausforderung an und beschleunigte ebenfalls. In einer Kurve verlor P. bei etwa 180 km/h die Kontrolle über ihr Fahrzeug, geriet auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit zwei entgegenkommenden Autos. Die Folge: Zwei Kinder einer Familie starben, die Eltern und ein weiterer Fahrer wurden verletzt.

Die rechtliche Entwicklung: Vom Kraftfahrzeugrennen zum Mord

Im ersten Rechtsgang verurteilte das LG Hannover die Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge (§ 315d StGB) in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Der BGH hob dieses Urteil am 29.02.2024 (Az.: 4 StR 350/23) weitgehend auf und verwies die Sache zurück, da die rechtliche Würdigung nicht ausreichte.
Im zweiten Rechtsgang verschärfte das LG die Anklage erheblich: Die Angeklagte P. wurde des Mordes schuldig gesprochen – in Tateinheit mit versuchtem Mord, gefährlicher Körperverletzung, verbotenem Kraftfahrzeugrennen und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs. Das Gericht erkannte die Mordmerkmale der Heimtücke, gemeingefährlicher Mittel und niedriger Beweggründe. Beide Angeklagten hätten mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, da sie die Möglichkeit tödlicher Kollisionen in der unübersichtlichen Kurve billigend in Kauf nahmen. P. erhielt lebenslange Haft, während S. aufgrund des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 StPO) erneut zu vier Jahren verurteilt wurde, da die Staatsanwaltschaft im ersten Rechtsgang keine Revision gegen ihn eingelegt hatte.
Der BGH bestätigte diese Entscheidung nun vollständig: Weder Verfahrensfehler noch Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten wurden festgestellt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Warum dieses Urteil Aufsehen erregt

Die Qualifikation als Mord statt fahrlässige Tötung ist ein starkes Signal. Das LG und der BGH sehen in der rücksichtslosen Raserei mit extrem hohen Geschwindigkeiten und der bewussten Missachtung von Gefahren nicht nur eine fahrlässige, sondern eine vorsätzliche Tat. Die Mordmerkmale – Heimtücke durch die unvorhersehbare Gefährdung anderer, gemeingefährliche Mittel durch das Fahrzeug als „Waffe“ und niedrige Beweggründe durch den egoistischen Wettbewerb – wurden hier konsequent angewandt. Für P. führte dies zur Höchststrafe, während S. durch prozessuale Besonderheiten eine mildere Strafe erhielt.

Ansatzpunkte für die Verteidigung

Für Strafverteidiger ergeben sich aus solchen Fällen wichtige Lehren:
  1. Vorsatzprüfung: Der Nachweis bedingten Tötungsvorsatzes ist entscheidend. Hier könnte die Verteidigung argumentieren, dass die Angeklagten die konkrete Gefahr nicht erkannten oder nicht ernsthaft in Kauf nahmen – ein schwieriger, aber möglicher Ansatz.
  2. Mordmerkmale: Die subjective Seite der Heimtücke oder niedrigen Beweggründe lässt Raum für Diskussion. War das Rennen wirklich eine „heimtückische“ Tat oder nur eine spontane Dummheit?
  3. Prozessuale Strategie: Das Verschlechterungsverbot schützte S. vor einer härteren Strafe. Eine frühzeitige Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft kann solche Effekte beeinflussen.

Fazit: Ein Mahnmal für Raser

Dieses Urteil zeigt, dass die Justiz bei illegalen Autorennen mit tödlichem Ausgang keine Kompromisse eingeht. Die lebenslange Haft für P. ist eine der härtesten Sanktionen im Verkehrsstrafrecht und verdeutlicht die gesellschaftliche Ächtung solcher Taten. Für Betroffene ist es essenziell, frühzeitig einen erfahrenen Strafverteidiger einzuschalten, um die Vorwürfe – insbesondere den Vorsatz – genau zu prüfen und mögliche Milderungsgründe geltend zu machen.
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