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Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung wegen Geldautomatensprengung

Am 17. April 2025 traf der Bundesgerichtshof (BGH) eine wegweisende Entscheidung in einem Strafverfahren, das die Sprengung von Geldautomaten in Wiernsheim (Enzkreis) und eine tödliche Flucht als „Geisterfahrer“ auf der Autobahn A6 betraf (Pressemitteilung Nr. 77/2025). Der 1. Strafsenat des BGH bestätigte die Verurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Karlsruhe in erster Instanz, wies jedoch die Revision teilweise zurück, um Rechtsfragen zur Strafzumessung zu klären. Als Strafverteidiger analysieren wir den Hintergrund dieser Entscheidung, die Gründe für ihren Erlass, ihre Bedeutung für die Rechtsprechung und die Implikationen für die Verteidigungspraxis.

 

Hintergrund des Verfahrens

Das Verfahren betrifft eine Gruppe von drei niederländischen Staatsangehörigen, die am 11. November 2023 zwei Geldautomaten einer Sparkassenfiliale in Wiernsheim sprengten und rund 41.000 Euro erbeuteten. Die Tat verursachte Sachschäden in Höhe von etwa 250.000 Euro. Nach der Sprengung flohen die Angeklagten in einem gestohlenen VW Golf 8R, wobei der 30-jährige Fahrer als „Geisterfahrer“ auf die Autobahn A6 auffuhr, um der Polizei zu entkommen. Während der Verfolgungsjagd kollidierte er frontal mit einem Kleintransporter, wodurch der 45-jährige Beifahrer des Transporters schwer verletzt wurde und zehn Tage später starb. Auch der Fahrer des Transporters und der Angeklagte selbst erlitten schwere Verletzungen.

Das Landgericht Karlsruhe verurteilte die Angeklagten in erster Instanz am 12. Juli 2024 (Az. 1 Ks 21 Js 16661/23). Der 30-jährige Fahrer des Fluchtwagens erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes (§ 211 StGB) in Tateinheit mit versuchtem Mord (§ 212 StGB), gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB) in Tateinheit mit schwerem Diebstahl (§ 243 StGB). Die beiden Mittäter, beide 21 Jahre alt, wurden wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit schwerem Diebstahl zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren bzw. fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil legten die Angeklagten Revision ein, die der BGH größtenteils verwarf.

 

Warum wurde die Entscheidung erlassen?

Der Beschluss des BGH vom 17. April 2025 (1 StR 559/24) wurde aus folgenden Gründen erlassen:

  1. Bestätigung der Schuldfrage: Der BGH stellte fest, dass die Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe zur Täterschaft und den Straftaten rechtlich zutreffend waren. Die Beweisführung, basierend auf Überwachungsvideos, DNA-Spuren, im Fluchtwagen gefundenem Bargeld (41.000 Euro) und Sprengstoff, war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der BGH bestätigte, dass der 30-jährige Angeklagte die Tatbestandsmerkmale des Mordes durch billigenden In-Kauf-Nahmen tödlicher Folgen seiner Geisterfahrt erfüllte, da er die Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer bewusst ignorierte.
  2. Korrektur der Strafzumessung: Die Revision hatte teilweise Erfolg, da der BGH Mängel in der Begründung der Strafzumessung feststellte. Das Landgericht hatte die Schwere der Taten und die Gefährdung der Allgemeinheit zwar erkannt, jedoch nicht ausreichend dargelegt, warum die verhängten Strafen in ihrer Höhe angemessen waren. Der BGH verwies diesen Teil des Verfahrens an das Landgericht Karlsruhe zurück, um eine detaillierte Begründung der Strafzumessung sicherzustellen.
  3. Abweisung der Verfahrensrügen: Die Angeklagten rügten Verfahrensfehler, darunter eine fehlerhafte Beweiswürdigung und Einschränkungen ihrer Verteidigungsrechte. Der BGH prüfte diese Rügen und befand, dass keine wesentlichen Verfahrensfehler vorlagen. Die Ablehnung bestimmter Beweisanträge durch das Landgericht war nach revisionsrechtlichen Maßstäben vertretbar, da diese entweder unerheblich oder auf eine unzulässige Beweiserhebung gerichtet waren.

Rechtsfortbildung zu Geldautomatensprengungen: Der BGH nutzte die Entscheidung, um die rechtliche Bewertung von Geldautomatensprengungen und gefährlichen Fluchtmanövern zu präzisieren. Er betonte, dass solche Taten nicht nur als Diebstahl, sondern auch als Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zu werten sind, da sie erhebliche Gefahren für Leib und Leben bergen. Die Geisterfahrt wurde als eigenständiges Delikt mit potenziell mörderischem Vorsatz bewertet, was die Gesamtschwere der Tat unterstreicht.

 

Warum ist dieser Beschluss wichtig?

Die Entscheidung des BGH ist aus mehreren Gründen von großer Bedeutung:

  1. Konsequente Ahndung von Geldautomatensprengungen: Geldautomatensprengungen, oft von international organisierten Banden aus dem Ausland durchgeführt, sind in Deutschland ein wachsendes Problem. Der BGH-Beschluss bestätigt hohe Strafen, einschließlich lebenslanger Haft, und unterstreicht die Entschlossenheit der Justiz, solche Taten rigoros zu verfolgen. Dies stärkt die Abschreckungswirkung und unterstützt die Strafverfolgung.
  2. Präzisierung der Strafzumessung: Die teilweise Zurückverweisung zeigt, dass der BGH eine sorgfältige und nachvollziehbare Begründung der Strafhöhe fordert. Dies ist ein wichtiger Leitfaden für Gerichte, um revisionsrechtlichen Angriffen vorzubeugen und die Verhältnismäßigkeit der Strafe sicherzustellen.
  3. Schutz der öffentlichen Sicherheit: Die Entscheidung verdeutlicht die extreme Gefährlichkeit von Geldautomatensprengungen und riskanten Fluchtmanövern wie Geisterfahrten. Der BGH betont, dass solche Handlungen weit über Vermögensdelikte hinausgehen und potenziell tödliche Konsequenzen haben, was eine strenge Bestrafung rechtfertigt.

Verteidigungsmöglichkeiten gestärkt: Für Strafverteidiger bietet die Entscheidung Ansatzpunkte, um in ähnlichen Verfahren die Strafzumessung und Verfahrensfragen kritisch zu prüfen. Der teilweise Erfolg der Revision zeigt, dass eine genaue Überprüfung der Urteilsbegründung erfolgversprechend sein kann.

 

Bedeutung für die Verteidigungspraxis

Für Strafverteidiger ist die Entscheidung eine Herausforderung, da sie die hohe Beweishürde in Fällen mit technischen Spuren und klarer Planung verdeutlicht. Gleichzeitig bietet die teilweise Rückverweisung Chancen, die Strafzumessung und die Urteilsbegründung anzugreifen. Verteidiger sollten Verfahrensfehler, wie unzureichend begründete Beweisablehnungen, gezielt prüfen und die Verhältnismäßigkeit der Strafe hinterfragen, insbesondere bei weniger schwerwiegenden Tatumständen.

 

Fazit

Die Entscheidung des BGH vom 17. April 2025 (Pressemitteilung Nr. 77/2025) ist ein Meilenstein in der Bekämpfung von Geldautomatensprengungen und der Sicherung der öffentlichen Sicherheit. Sie bestätigt die Verurteilung dreier Angeklagter durch das Landgericht Karlsruhe wegen schwerer Straftaten, einschließlich Mordes, und klärt die Notwendigkeit einer präzisen Strafzumessung. Für Betroffene und Verteidiger ist der Beschluss ein Aufruf, Urteilsbegründungen kritisch zu prüfen, um Revisionsmöglichkeiten zu nutzen. Als Strafverteidiger stehen wir unseren Mandanten in solchen komplexen Verfahren mit höchster Expertise zur Seite, um ihre Rechte konsequent zu verteidigen.

Wenn Sie Unterstützung in einem Strafverfahren benötigen, kontaktieren Sie uns gerne.

 

Wir. Verteidigen. Sie.
Ihre Ansprechpartner
RAin Ronja Schulzke
RA Philipp Marquort

Quellen: Pressemitteilung Nr. 77/2025 des Bundesgerichtshofs vom 17. April 2025; Beschluss des 1. Strafsenats vom 8. April 2025 – 1 StR 559/24; SWR Aktuell, 7. Juni 2024; Recht & Politik, 17. April 2025.

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